Ein Interview mit Prof. Dr. Clemens Kill

"Grundlegende Veränderung"

In nur sechs Monaten wurde im Universitätsklinikum Essen eine der modernsten
Notaufnahmen Europas aus dem Boden gestampft. Auf 1.000 Quadratmetern
arbeiten rund 50 Mitarbeiter in 13 Behandlungs- und Untersuchungsräumen sowie
drei Schockräumen. Prof. Dr. Clemens Kill ist der Direktor des neuen Notfallzentrums
am Universitätsklinikum Essen. Wir haben mit dem Notfall-Experten gesprochen.

Herr Prof. Dr. Kill, was macht die neueZentrale Notaufnahme Nord am Universitätsklinikum Essen denn so besonders?

Wir konnten bei der Planung einfach bei „Null“ anfangen. So konnten wir unsere ZNA konsequent nach Abläufen in einer Notaufnahme gestalten. Nicht nur der räumliche Aufbau mit 3 Schockräumen, davon einer mit Computertomographen, mehr als einem
Dutzend voll ausgestatteter Behandlungsräume und abgetrenntem Infektionsbereich ist vorbildlich, auch die medizinisch-technische Ausstattung ist außergewöhnlich. Dabei haben wir, wo immer möglich, digitale Unterstützungssysteme von Anfang an integriert.
Doch Räume und Technik sind nicht alles. Die medizinische Verantwortung in unserer neuen ZNA trägt das ebenfalls neu gegründete Zentrum für Notfallmedizin der Universitätsmedizin Essen. Das stellt, als eigenständiges Zentrum mit einem interdisziplinären Oberarztteam, eine optimale Versorgung sicher – selbstverständlich rund um die Uhr.

OP-Saal

Was macht ein Leiter des Zentrums für Notfallmedizin eigentlich genau?

Mein Aufgabenspektrum umfasst alle notfallmedizinischen Teilbereiche der Universitätsmedizin Essen, ganz besonders die Gestaltung des Bereiches Notaufnahmen. Das bedeutet natürlich viel Planung und Kommunikation, aber auch die Lösung zahlreicher Detailfragen, damit jede sinnvolle Innovation integriert werden kann und auch eine so hochwertige Einrichtung wie unsere neue Notaufnahme stetig
weiterentwickelt wird.

Zentrale Notaufnahme

Sie arbeiten in Ihrer neuen Notaufnahme mit dem corpuls3.
Wo sehen Sie die Vorteile des corpuls3 im klinischen Einsatz?


Grundsätzlich passieren in einer Notaufnahme ja ähnliche Notfallsituationen wie im präklinischen Bereich. Das legt natürlich nahe, präklinisch bewährte Technologie auch
innerklinisch einzusetzen. Alle unsere Notfallmediziner in der Notaufnahme haben zudem jahrelange Einsatzerfahrung mit dem corpuls3. Das verbessert die Sicherheit in kritischen Situationen. Durch die weite Verbreitung im Rettungsdienst in Essen und der Umgebung können an der Schnittstelle Rettungsdienst-Schockraum beispielsweise Defi Klebeelektroden weiterverwendet werden, was Zeit und Kosten spart. Die Trennbarkeit von Patientenbox und Monitor erleichtert den Transport und ist besonders bei Röntgen- und CT-Untersuchungen sehr hilfreich, um außerhalb des Strahlenschutzbereiches den Monitor einschließlich Bedienoberfläche verwenden und den Patienten so gefahrlos optimal überwachen zu können. Wir verwenden deshalb den corpuls3 routinemäßig bei
der Schockraumversorgung kritischer Patienten. Dafür haben wir insgesamt vier corpuls3 in Vollausstattung verfügbar.

corpuls im OP-Saal

Wie sehen Sie die Rolle der Telemedizin in der Zukunft – insbesondere bezogen auf den deutschen Rettungsdienst?

Wir werden im Rettungsdienst in Deutschland grundlegende Veränderungen beginnen müssen, um den stetig zunehmenden Einsatzzahlen und dem steigenden Leistungs- und Qualitätsanspruch überhaupt gerecht werden zu können. Eines der Kernthemen wird aus meiner Sicht dabei der gezieltere Einsatz von Notarztsystemen für tatsächlich kritisch
erkrankte und verletzte Notfallpatienten sein. Viele minderschwere Einsätze könnten nach meiner festen Überzeugung von Notfallsanitätern ohne Notarzt an der Einsatzstelle und ohne Qualitäts- oder Sicherheitsverlust abgewickelt werden, wenn der unmittelbare Zugriff auf einen Telenotarzt mit Verfügbarkeit von Live-Daten gegeben ist.
Mit einer solchen telemedizinischen Unterstützung könnten nicht nur beispielsweise Medikamentengaben bei Notfallpatienten ohne akute Lebensgefahr abgesichert werden,
sondern auch bei den immer zahlreicheren Einsätzen bei minderschweren Akutfällen unnötige Transporte in die Notaufnahmen vermieden werden. Wichtig für die flächendeckende Implementierung von telemedizinischen Systemen ist aus meiner Sicht, dass die Kommunikation und Datenübertragung ohne zusätzlich mitzuführende Geräte und auch außerhalb des Rettungsmittels an jedem Ort einfach möglich ist, um die genannten Aufgaben erfüllen zu können.

Sie haben sich in den letzten Jahren auch einen Namen in der wissenschaftlichen Forschung gemacht und mit Ihrem Team zahlreiche Publikationen veröffentlicht – auch in Zusammenhang mit dem corpuls3. Inwiefern unterstützen Sie die Softwareprodukte wie corpuls.web ANALYSE und corpuls.web REVIEW bei Ihren Auswertungen?

Die corpuls-Dokumentations- und Analysetools machen eine Datenauswertung sowohl für wissenschaftliche Projekte im Labor oder in der Klinik wie auch für die Qualitätssicherung wirklich sehr einfach. Die langfristige Verfügbarkeit aller Daten einschließlich graphischer Kurvenverläufe in hoher Auflösung sind auch in der Routine der Notfallversorgung sowohl präklinisch wie auch innerklinisch extrem wertvoll, da wir hiermit bei interessanten und auch unvorhergesehenen Verläufen nachträglich Kasuistiken aufarbeiten und auch zu Ausbildungszwecken sehr gut nutzen können.

Neben dem corpuls3 nutzen Sie in der ZNA auch das Thoraxkompressionsgerät
corpuls cpr. Was denken Sie darüber?

Wir setzen das corpuls cpr immer dann ein, wenn ein Patient unter laufender Reanimation zu uns in den Schockraum kommt. Besonders hilfreich ist das corpuls cpr, wenn wir unter Reanimation im Schockraum eine VA-ECMO im Sinne der E-CPR
anschließen, da wir damit ohne Personaleinsatz eine bestmögliche Thoraxkompression erzielen können.

Bei kritisch instabilen Patienten nach Reanimation, bei denen es jederzeit erneutzu einem Kreislaufstillstand kommen kann, platzieren wir die Grundplatte bereits vorsorglich beim Umlagern unter dem Patienten, da diese bei der weiteren
Versorgung nicht stört.

Dr.Kill


"der Rettungsdienst muss sich verändern"

Mit dem stetig steigenden Notrufaufkommen kommen neue Herausforderungen auf die Rettungsdienste und Notärzte zu. Telenotarzt- und Telemedizinanwendungen
wie corpuls.mission sind die Zukunft.

Wenn Sie einen Wunsch hätten, was müsste die Industrie entwickeln, um Ihre Arbeit als Intensiv- und Notfallmediziner zu erleichtern sowie die Überlebenschancen der Patienten weiter zu steigern?

Mein größter Wunsch wäre es, die für die Notfallversorgung wichtigsten Geräte deutlich kleiner und leichter zu machen sowie die Bedienung intuitiver und einheitlicher
zu gestalten. Wenn wir uns die Entwicklung beispielsweise von Kommunikationstechnologien der letzten zehn Jahre anschauen, dann besitzen wir alle leistungsfähige Smartphones und Tablet PCs, während die Medizintechnik dieser Entwicklung massiv hinterherhinkt. Hier brauchen wir dringend „smart technologies“, die für den Anwender optimiert sind.

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